Donnerstag, 10. September 2020

Handlungsorte auswählen, entwerfen und einbauen


Handlungsorte auswählen, entwerfen und einbauen


Hallo an alle,

Neben der Handlung und den Charakteren ist ein weiterer Punkt essentiell: der Handlungsort bzw. Schauplatz. Ein Plot enthält oft viele Handlungsorte, wobei meist nur ein paar vermehrt auftauchen. Selbst bei den Geschichten, die darauf aus sind, dass der Held umher reist, gibt es einige Orte, die eine größere Rolle haben. 

Nur wie wählt ihr geeignete Schauplätze aus? Können existierende Orte genutzt werden? Und wenn nicht: Wie wird ein Ort entworfen? Darüber hinaus werde ich euch zeigen, wie diese in die Geschichte eingebaut werden.

Wie immer der Hinweis: Das hier ist nicht der einzig wahre Weg. Es ist eine von vielen Möglichkeiten, doch vielleicht hilft sie dem ein oder anderen. 😉 Habt ihr eine abweichende Herangehensweise, dann teilt das Wissen gern mit uns unten in den Kommentaren.


Der geeignete Handlungsort


Was der optimale Ort ist, ist pauschal nicht zu sagen, denn es ist abhängig von eurer Handlung. Der Schauplatz ist mehr als nur „dort ist der Eiffelturm im Hintergrund“. Er sollte eine Bedeutung haben - ganz gleich ob pragmatisch oder poetisch. Warum kann diese Szene nur an diesem Ort stattfinden? Es geht hier sowohl um Landschaften, Städte als auch Räume. Wieso kann der Mord nur in der Küche und nicht im Bad passieren? Hinterfragt bei dem Ort so viel, wie ihr es bei der Handlung und den Figuren macht.

Ein Anhaltspunkt kann die gewünschte Atmosphäre sein. Sicher, jeder Ort kann ins nötige Licht gerückt werden, aber es gibt Schauplätze, die sind bereits mit einer bestimmten Wahrnehmung verknüpft und das könnt ihr euch zunutze machen. Die Anzahl der Romanzen in Gefängnissen ist überschaubar, während ein Krimi oder Thriller häufiger dort spielt. Ein Gefängnis hat eine ernste, drückende Stimmung mit einem Hauch von Gefahr. So verhält es sich auch mit dem Restaurant. Hier wird eher ein wichtiges Date stattfinden, als dass ein Poltergeist Lampen dreht.

Hier ist eine kleine, aber feine Auflistung von Genres und entsprechenden Orten, die öfter als Handlungsort dienen:


Horror

verlassene Gebäude (Lost Places), Keller, Wald bei Nacht, Friedhof, Badezimmer, Burg, Kanalisation, unbekannte Stadt

Krimi/Thriller

Hotel, Parkplatz, Schlafzimmer, Wald, Fluss, Lost Places, Polizeirevier, Gefängnis, Großstädte, oft USA

Romanze/Gesellschaftsroman

Strand, Hotel, Wohnzimmer, Park, Hafen, Boot, Küste, Brücke, Café/Restaurant, Dörfer, Großstädte

Jugendbuch

Schule, Spielplatz, Park, Abrisshaus, Wald, Geheimversteck, Heimatland des Autors

Fantasy / Science Fiction

Burg, Wald, Downtown, Gebirge, mittelgroße Städte, Raumschiff, Fabrik, Weltall

Historik

Marktplatz, Burg, Wohnzimmer, Bauernhof, Schlachtfeld, Wald, Europa


Es gibt aber noch andere Aspekte neben der Atmosphäre. Eines sind die Gebräuche und die Mentalität. Ihr werdet kaum eine Geschichte eines homosexuellen Paares in Somalia oder Iran lesen, wo sie Hand in Hand durch den Park schlendern, denn dort steht die Todesstrafe auf Homosexualität. Doch auch die Arbeits- und Alltagsmentalitäten sind verschieden. Ihr solltet euch immer gut informieren, wie die dortige Einstellung ist, wenn es insbesondere um Länder geht, aber schon in einer Schule ist eine andere Mentalität wie in einem Krankenhaus.

Zum Schluss ist noch ein Punkt wichtig, der aber selbstredend ist: die Funktion. Ihr werdet niemanden im Bad kochen lassen, wenn es nicht gerade speziell so gewollt ist. Mit solchen ungewöhnlichen Schauplätzen könnt ihr aber auch Andersartigkeit hervorheben.


Reale Orte


Eine Frage, die oft aufkommt, dreht sich darum, ob reale Orte verwendet werden dürfen. Die Antwort ist: Jein. Es dürfen öffentliche Namen genannt und die Plätze beschrieben werden. Bei privaten Schauplätzen sieht es anders aus. Nur was ist öffentlich und was privat?

Unter öffentlich fallen frei zugängliche Plätze wie Parks, Straßen, Bahnhöfe, Bibliotheken und so weiter. Es ist also ein breites Spektrum. Kritisch wird es aber schon wieder bei Adressen. Es sollte keine existierende Hausnummer sein. Als Erklärung sage ich: 221b Baker Street. Unzählige Fans von Sherlock Holmes tümmeln sich dort. Stellt euch vor, jemand schreibt einen Roman, der einschlägt wie eine Bombe und dessen Hauptfigur in eurer Wohnung wohnt - das wäre nicht so toll. Das kann im Ernstfall sogar rechtliche Konsequenzen haben. Daher erfindet entweder eine Hausnummer (Google Maps kann euch helfen) oder lasst sie weg.

Private Orte sind Unternehmen, Lokale, Wohnhäuser, Kaufhäuser und so weiter. Grundsätzlich muss hier eine Erlaubnis eingeholt werden, sobald der Ort erwähnt wird oder nur so minimal verändert wird, dass der Leser auf den Ort schließen kann. Wenn das Lokal Essbar in der Musterstraße genutzt werden soll und es wird in Trinkbar in der Musterstraße abgeändert, kann es zu ähnlich sein, was Probleme bringen kann, vor allem dann, wenn es sich nicht um Lobeshymnen handelt. Prinzipiell seid ihr mit einem fiktionalen Ort auf der sicheren Seite.


Ort erfinden


Sich einen Ort ausdenken ist manchmal leichter gesagt als getan. Mich unterstützt hier sehr der Vergleich mit meinem Alltag. Wie sieht meine Wohnung aus, die meiner Freunde und Familie? Ihr könnt Google befragen, doch gerade in Hinsicht auf Wohnräume ist das selten realistisch. Bei Hotels, Parks und so weiter kann die Bildersuche durchaus sinnvoll sein. Es sollten mehrere Bilder angesehen werden und dann aus dem Kopf heraus der Ort aufgebaut werden. Es soll eine Inspiration sein, kein Abschreiben.

Wie Fantasy-Welten kreiert werden können, das würde hier den Rahmen sprengen, weshalb es ein eigener Post wird. Aber ein kleiner Tipp: Nehmt am Anfang unsere Welt und beginnt nach und nach sie zu verändern. Zum Beispiel, es ist eine magische Stadt gewünscht. Nehmt euch eine Stadt heran, die ihr wollt. Was soll anders sein? Die Menschen werden durch Feen ersetzt. Da diese fliegen können, fällt der Verkehr weg. Es ist eine Stadt im Wald, also tauscht den Beton gegen Holz und Stein. Die Lampen weichen leuchtenden Pilzen. Und so geht es weiter und weiter. 😉


Orte in die Geschichte einbinden


Ihr habt nun den perfekten Handlungsort gefunden und jetzt geht es los - nur wie? Es gibt beim Schreiben einen Leitsatz, der heißt „zeigen statt erzählen“ (Show don’t tell). Dies bezieht sich zwar oft auf das Verhalten von Figuren, aber kann auch hier angewendet werden. Hier mal ein Beispiel, wenn es nur erzählt wäre:

"Das Wohnzimmer hatte ein großes, braunes Ledersofa, das gegenüber vom weißen Sideboard stand. So kann von dort auf den 72 Zoll Flat-TV geschaut werden. An der Wand hingen vier Familienfotos, die sich in der Oberfläche des Fernsehers spiegelten. An der Decke war eine einfache Lampe, die sich optisch den holzbraunen Paneelen anpasste. Die Wände waren mit minzgrüner Raufasertapete beklebt und endeten bei einer hölzernen Fußbodenleiste. Graues Laminat bildete den Boden. In der Ecke war ein eichenfarbener Schreibtisch. Papiere lagen auf dem zugeklappten Laptop. Davor stand ein Bürostuhl mit schwarzem Polster. An der rechten Wand war eine Tür mit Milchglas, die in die Küche führt."

Ja, ist ganz nett geworden, aber stellt euch drei weitere Absätze in dieser Art vor und ihr hättet nur noch überflogen, wenn ihr nicht schon damit angefangen habt.

Besser ist es, eure Figur mit der Umgebung interagieren zu lassen. Viele Details müssen nicht sein. Lasst die Fantasie des Lesers die Lücken füllen. Ist es wirklich wichtig, wie die Lampe aussieht? Wieso soll der Leser nicht eine bunte Hängelampe dort sehen? Und muss es Raufasertapete sein? Kann es nicht Putz sein? Hier ein Beispiel des Zimmers, bei dem mehr gezeigt als erzählt wird.

"Sein Blick schweifte durch das Wohnzimmer, das vollkommen unauffällig wirkte. Er setzte sich auf das bequeme Ledersofa. Es hatte diesen kackbraunen Farbton. Wer kaufte sich sowas? Während er wartete, sah er den überdimensionierten Fernseher, der gar nicht zum Rest des Zimmers passte. Vermutlich war sein Kollege der Typ Mensch, der Single ist und die ganze Zeit nur fern sieht. An der Wand sah er Familienfotos auf denen Ronny mit einer Frau und zwei Kindern zu sehen war. Nirgends war jedoch Spielzeug. Das wirkte nicht wie eine Wohnung, in der Kinder leben. Er sah sich vom Sofa aus um und entdeckte einen Schreibtisch. Der war genauso chaotisch wie das Gegenstück im Büro. Die Tür auf der rechten Seite öffnete sich und Ronny kam mit zwei Flaschen Bier in der Hand herein."

Das ist eine andere Möglichkeit zu beschreiben und ich hoffe, es hat euch deutlich gemacht, was ich euch mit dem Show don’t tell bei Orten zeigen will.


Fazit


Handlungsorte sind wichtig und sollten so auf die Handlung zugeschnitten sein wie die Figuren. Es muss darauf geachtet werden, dass man nur öffentliche Orte nennen darf. Um Problemen vorzubeugen, ist es ratsam, sich im Zweifelsfall Schauplätze auszudenken. Der Leitsatz Show don’t tell ist hier hilfreich.

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