Sonntag, 27. September 2020

Show don't tell

Show don't tell


Hallo an alle,

keiner kann sich unter Autoren bewegen, ohne je "Show don’t tell" (manchmal auch "don’t tell but show")gehört zu haben. Bei meinem Post zu den Orten habe ich es schon erwähnt und grob umrissen. Hier erkläre ich euch, was sich dahinter verbirgt, wie ihr das umsetzt und es gibt eine Auflistung von Lösungen bei den häufigen "Erzählwörtern". 😊 


Was bedeutet "Show don’t tell"?


Übersetzt wird dieser Ausspruch: "Zeigen, nicht erzählen". Zeigen bei einem Text klingt kompliziert, aber die meisten schreiben es intuitiv. Ich stelle mir gern vor, ich schreibe ein Drehbuch. Ein Film hat einen großen Nachteil gegenüber dem Roman: Er kann keine Gefühle erzählen. Der Schauspieler kann nicht sagen: "Ich fühle mich nervös", sondern er muss es den Zuschauern zeigen durch Gestik, Mimik und Handlungen. Und auch hier haben Romane einen Vorteil. Dort könnt ihr auf innere Vorgänge wie Herzrasen eingehen. Im Film geht es nicht. 

Der Vergleich ist dahingehend treffend, dass jeder Romantext ein Drehbuch ist. Wenn der Leser liest, dann erfasst er nicht die Worte, sondern vor seinem inneren Auge wird eure Geschichte zu einem Film. Das ist auch der Grund, weshalb mehr gezeigt als erzählt werden soll. Natürlich nicht unentwegt, stattdessen muss eine passende Balance her.


Wie wird dies umgesetzt?


Die Umsetzung ist Übungssache. Ich werde nach und nach Posts zu den einzelnen Gefühlen erstellen, in denen ich auf äußere und innere Vorgänge eingehe. Hier werde ich euch eine Vorgehensweise an die Hand geben.

Der erste Schritt ist es, solche Ausschnitte zu finden. Grob gibt es Gefühle und Beschreibungen (Handlungsorte)  als die größte Stolperfalle dafür. Widmen wir uns mal einem Beispiel aus der Gefühlswelt. Ihr habt diesen Satz geschrieben:

"Sie war nervös." 

Sicher wird der Leser wissen, was gemeint ist, doch wird nicht nur der Film vorm inneren Auge kurz wacklig, sondern ihr verspielt eine große Chance, euren Charakter einzigartig zu machen. Das soll sich jetzt ändern. Der erste Schritt ist es, sich zu überlegen, wie Nervosität aussieht. Da könnt ihr aus dem eigenen Erfahrungspool fischen. Ich selbst habe die Angewohnheit, mir meine Haare zurückzustreichen. Ich wippe mit dem Fuß, verlagere ständig das Gewicht von einem Bein aufs andere, meine Hände zittern und so weiter. Ein Bekannter blinzelt dann oft und stark, eine andere kratzt sich oft an der Wange, wieder ein anderer wischt sich ununterbrochen die Hände an der Hose ab. Beobachtet euch selbst, Bekannte oder auch Szenen in einem Film, im Theater und so weiter.

Wie schon festgestellt, kann der Text mehr als nur das Äußere zeigen, also überlegt ihr, was fühlt ihr, wenn ihr nervös seit. Die biochemischen Abläufe sind bei fast jedem gleich, daher wird die innere Aktion so bei einem Großteil eurer Leser ähnlich sein. Mir ist oft übel, wenn ich nervös bin. Ich bin unkonzentriert, mir ist warm, ich habe einen Kloß im Hals und einen trocken Mund. Ich spüre mein Herz schneller schlagen und habe das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. 

Zum Schluss überlegt ihr, was eure Gedanken sind, wenn ihr nervös seid. Ich selbst denke eher negativ. Ich bin oft überzeugt, dass es schief geht. Vor meinem inneren Auge spielen sich die Worst-Case-Szenarien sehr bildlich ab.

Nun habt ihr alles, was ihr braucht, um den Satz auszubauen:

"Sie verlagerte immer wieder das Gewicht von einem Bein aufs andere. Ihr Mund war trocken und sie sah sich um, doch nirgends war ein Glas Wasser. Sie kratzte sich am Arm. Sie wird den Job nicht bekommen. Sie wird sich nur blamieren. Ihre Hände waren schweißnass und sie wischte sie an ihrer Hose ab. Als die Tür sich öffnete, schnürte sich ihre Kehle zu. Sie wird versagen. Sie lief los und ballte ihre zitternde Hände zu Fäusten."

Ich denke, das macht es deutlich, was gemeint ist. 😉 Wichtig ist hierbei, eine gute Balance zu finden. Wenn ihr das fünfte Mal diese Beschreibung statt dem Wort nervös nutzt, wird der Text zäh und langweilig. Außerdem wirkt es nicht natürlich. Wenn der Leser weiß, wie Nervosität bei dem Charakter aussieht, ist es durchaus legitim, ab und an "nervös" zu schreiben.


Liste typischer "Erzählworte"


Hier liste ich einige Worte auf, die erzählend wirken und einige Punkte zum Zeigen für diese. Für eine Anwendung bei den Orten, schaue bei Post zu den  Handlungsorten

ängstlich  Herzrasen, unruhig, zittrig, dünne Stimme, Atemnot, blass, Fluchtrefelex

nervös  unbewusste Gesten, Anspannung, trockener Mund, Kneten der Händeo

fröhlich  Lächeln, Bewegungsdrang, leichter und beschwingter Gang, Gönnerlaune

arrogant  verengter Blick, erhobener Kopf, gerade Körperhaltung

verwirrt  erhobene Hände, hochgezogene Augenbraue, Kratzen am Kopf

traurig  weinen, bebende Unterlippe, kraftlose Körperhaltung

wütend  geballte Fäuste, laute Stimme, roter Kopf, Anspannung

gelangweilt  gähnen, Blick abwenden, geschlossene Augen

neugierig  große Augen, vorsichtiges Bewegen, offener Mund

müde  zufallende Augen, vermehrtes Blinzeln, häufiges Strecken

enttäuscht  hängende Schultern, nach unten gerichteter Blick, verminderte Körperspannung

genervt → verdrehen der Augen, lautere Stimme, abwenden


Fazit


Show don’t tell ist in der modernen Literatur ein wichtiger Leitsatz. Doch sollte damit nicht übertrieben werden, sondern eine gute Balance zwischen Erzählen und Zeigen gefunden werden, um den Leser nicht zu langweilen.

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